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Geschichte

Die Mennoniten – Anfänge

Das Auftreten Martin Luthers spaltete endgütlig die westliche Christenheit. Schon bald traten neben dem Luthertum neue Konfessionen auf, die nicht nur Veränderungen im religiösen, sondern auch im sozialen Bereich vorschlugen. Eine davon waren die Täufer. Diese Bewegung wurde in der Schweiz geboren und ihre Anfänge müssen in den Aktivitäten von Konrad Grebel, Felix Manz und Jörg Blaurock gesehen werden. Die Täufer traten nicht nur für die Annahme des Neuen Testaments als Verhaltensregel ein, sondern vor allem für die Erwachsenentaufe. Sie glaubten, dass nur ein bewusster Eintritt in die Gemeinschaft zu einem wahren Leben in Übereinstimmung mit der Lehre Jesu Christi führen würde. Am 21. Januar 1525 tauften sie sich gegenseitig. Dieses Ereignis wird als der Beginn des Täufertums angesehen.

Menno Simons, Porträt von 1683, Autor Jacob Burghart. Quelle: Public Domain.

Täufertreffen auf dem Boot. Quelle: Mennonite Library and Archives Bethel College.

Im Laufe der Zeit traten innerhalb der Konfession selbst einige Differenzen zutage. Einige Führungspersönlichkeiten der Bewegung waren der Meinung, dass radikale und manchmal sogar gewaltsame Veränderungen im religiösen Leben und in der religiösen Organisation notwendig seien. Das andere Extrem waren die Ansichten von Mennon Simons, einem gebürtigen Friesen. Wie die meisten Täufer befürwortete er die Erwachsenentaufe und glaubte, dass wahrhaft christliche Gemeinschaften in Abgrenzung zur „verdorbenen“ Welt aufzubauen waren. Anders als die meisten Strömungen der Täuferbewegung glaubte er jedoch, dass dies auf friedliche Weise geschehen sollte. Menno Simons schrieb seine Ansichten in seinem Werk „Dat Fundament des Christelycken leers“ nieder, das 1539 veröffentlicht wurde. Unter den Parolen, die er verkündete, gab es neben den für das Täufertum typischen auch ganz neue. Dazu gehörten der absolute Pazifismus, das Verbot der Eidesleistung und vor allem die Abschaffung des Klerus als eigenem Stand der Gesellschaft. Außerdem rief er dazu auf, sich um die Armen und Schwachen zu kümmern.

Mennon Simons' Parolen fanden vor allem bei den Bauern in den Niederlanden und den nördlichen Gebieten des Reiches sowie bei den städtischen Plebejern – den kleinen Handwerkern und Gewerbetreibenden – Anklang. Um sie von anderen Gruppen der Täufer zu unterscheiden, wurden sie nach dem Namen des Gründers der Bewegung immer häufiger Mennoniten genannt.

Von den Niederlanden nach Polen

Ansicht der Belagerung von Münster 1534. Quelle: Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster.

Das Auftreten der Mennoniten in den Niederlanden und im Norden des Reiches fiel mit anhaltenden politischen und religiösen Konflikten in diesen Gebieten zusammen. In den sich in den Händen der Habsburger befindlichen Niederlanden wurde ein Unabhängigkeitskrieg geführt, der in vielerlei Hinsicht auch religiösen Charakter hatte. Im Reich dagegen brachen kleinere oder größere Konflikte zwischen Katholiken und Protestanten aus. Die Erinnerung an das Täuferreich von Münster, das 1534-1535 von radikalen Täufern gegründet worden war, war in beiden Gruppen noch lebendig.

Hinrichtung von Hendrik Eemkens im Jahre 1562 in Utrecht. Quelle: Mennonite Library and Archives Bethel College.

Titelseite von „Märtyrerspiegel”, Ausgabe von 1886. Quelle: Mennonite Library and Archives Bethel College

Für die in Westeuropa lebenden Täufer begann eine Zeit der religiösen Verfolgungen. Sie betrafen auch die Mennoniten, die abseits lebten und die große Politik mieden. Man schätzt, dass 2.000 bis 2.500 Täufer, darunter auch Mennoniten, während der religiösen Verfolgungen im 16. und frühen 17. Jahrhundert ihr Leben verloren haben. Die Geschichte ihrer Verfolgung und ihres Leidens wurde in dem 1660 erschienenen Märtyrerspiegel ausführlich beschrieben. Angesichts der feindseligen Haltung der staatlichen und kirchlichen Behörden standen die führenden Vertreter der Bewegung vor einer schwierigen Entscheidung: Bekehrung oder Auswanderung. Die meisten entschieden sich für die letztere Option. Sie haben in Polen einen sicheren Ort zum Leben gefunden.

Warum Polen?

Der Rechtsakt der Warschauer Konföderation von Jahr 1573. Quelle: Archiwum Główne Akt Dawnych

Warum wurde die Republik Polen zur Heimat für mennonitische Neuankömmlinge aus Westeuropa? Dafür gab es mehrere Gründe. Zum Einen war es die damals in ganz Europa berühmte polnische religiöse Toleranz. Lange vor der Ankunft der Verfechter des Antipädobaptismus (Erwachsenentaufe) wurde das von den Jagiellonen regierte Land zu einem multiethnischen und multireligiösen Mosaik. Polen, Juden, Ruthenen und Deutsche, Katholiken, Protestanten, Anhänger des Judentums, der Orthodoxie und des Islam lebten harmonisch nebeneinander. Polen war eines der wenigen Länder ohne Religionskriege. Der Höhepunkt dieser Toleranz war der Abschluss der auch als Warschauer Religionsfrieden bekannten Konföderation von Warschau durch den Adel im Jahre 1573. In diesem Dokument heißt es, dass die Mitglieder der Konföderation nicht aus religiösen Gründen in den Krieg ziehen werden. Die Warschauer Konföderation war das erste europäische Dokument, das die Grundsätze der religiösen Toleranz einführte. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Polen für die Mehrheit der Protestanten, einschließlich der Mennoniten, die in vielen Ländern Westeuropas verfolgt wurden, gleichsam das Gelobte Land zu sein schien.

Karte von Großes Werder aus dem Jahr 1680, Autor Olof Hansson Örnehufvud. Quelle: Biblioteka Narodowa.

Zum Anderen waren für die Entscheidung der Mennoniten zugunsten des Gebietes an der Weichsel wirtschaftliche und soziale Faktoren ausschlaggebend. Seit dem Mittelalter bestanden enge Handelsbeziehungen zwischen den Niederlanden und Danzig. Sie verstärkten sich noch Mitte des 16. Jahrhunderts, als die Republik Polen zu einer weit entfernten Rohstoffbasis für die niederländischen Städte wurde. Zuvor gebahnte Land- und Seewege und Kontakte erleichterten die Bewegung von Anhängern der Lehre von Menno Simons, die Zuflucht suchten. Die Wahl des Weichseldeltas als Siedlungsgebiet wurde auch durch den spezifischen Charakter der Dörfer selbst beeinflusst, die lange vor der Ankunft der Neuankömmlinge aus den Niederlanden und Norddeutschland den herrschenden sozioökonomischen Bedingungen in ihren Herkunftsregionen ähnelten. Infolgedessen gewöhnten sich die neuen Siedler schnell an die Bedingungen auf dem Großen Werder.

Wir dürfen auch andere Faktoren nicht vergessen. Zweifellos wurden die Mennoniten als Spezialisten für die Entwässerung und Bewirtschaftung von Niederungsgebieten geschätzt. Und dies war äußerst wichtig, da der Hauptort der mennonitischen Siedlung im 16. Jahrhundert der deutlich unter dem Meeresspiegel liegende Große Werder war. Die Entwicklung der mennonitischen Kolonisation in Polen wurde auch durch die besondere Rechtslage in der Republik Polen und im Königlichen Preußen selbst beeinflusst. Die an der Erschließung der Feuchtgebiete im Weichseldelta und der Weichselniederung beteiligten Mennoniten lebten auf Ländereien, die verschiedene Eigentümer hatten (König, Bischöfe, Stadträte, Adlige), die oft miteinander konkurrierten. In einem komplizierten System sich überschneidender territorialer Zuständigkeiten und gegensätzlicher wirtschaftlicher Interessen wirkte sich diese Dezentralisierung positiv auf die Rechtsstellung der Neuankömmlinge und die Bewahrung ihrer Identität und ihrer religiösen Traditionen aus.

Mennoniten auf dem Großen Werder

Karte von Großes Werder um 1700. Quelle: Biblioteka Narodowa.

Das Gebiet, in dem sich die Mennoniten zuerst in Polen niederließen, war der Große Werder. Leider können wir nicht genau sagen, wann die ersten Gemeinden in diesem Gebiet entstanden sind. Wahrscheinlich geschah dies nach den großen Überschwemmungen von 1540 und 1543, als der Rat von Danzig (Gdańsk) seine Vertreter in die Niederlande schickte, um Siedler zu finden, die die vom Wasser zerstörten Dörfer bewirtschaften konnten. Bald erschienen auf dem Danziger Werder Mennoniten, die nicht nur das zu Danzig gehörende Land trockenlegten und bewirtschafteten, sondern der Stadt durch die von ihnen gezahlten Steuern auch beträchtliche Einnahmen bescherten. Andere Landbesitzer im Weichseldelta folgten dem Beispiel von Danzig. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erschienen die Mennoniten in den Pachtgütern von Tiegenhof (Nowy Dwór), die der reichen Kaufmanns- und Bankiersfamilie Loitz gehörten, in den Dörfern der Herrschaft Marienburg (Malbork) (sie umfasste den Großen und den Kleinen Marienburger Werder), die im Besitz des Königs war, und auf dem Elbinger Werder), der zur Herrschaft der Stadt Elbing (Elbląg) gehörte.

Titelblatt der Chronik der Mennonitengemeinde aus Orłowskie Pole (dt. Orlofferfelde), verfasst von Heinrich Donner. Quelle: Staatsarchiv in Gdańsk. Foto: Ł. Kępski.

Die Dörfer, in denen sich die Mennoniten niederließen, waren in der Regel Wiedergründungen oder wurden auf unbebauten Weiden und Auenwiesen errichtet. Manchmal kam es vor, dass mennonitische Siedlungen in der Nähe früherer Siedlungen gegründet wurden. Die neuen Siedler schlossen mit den Landbesitzern Verträge ab, in denen ihnen Land langfristig (für 30 oder 40 Jahre) verpachtet wurde. Sie behielten ihre persönliche Freiheit. Im Gegensatz zu den Dörfern auf dem Werder waren die mennonitischen Siedlungen keine geschlossenen Ortschaften. Es waren Einzelhöfe, die durch Felder und Wiesen von anderen Häusern getrennt waren.

Das Alltagsleben der Mennoniten konzentrierte sich auf die Gemeinde. In der altpolnischen Zeit schufen die Mennoniten kein Netz von Kirchengemeinden, wie es auf dem Werder die katholische und lutherische Kirche besaßen. Auf dem Werder waren die mennonitischen Gemeinden darauf beschränkt, eine autonome Gemeinschaft zu bilden, die zwischen fünfhundert und etwa eineinhalbtausend Gläubige umfasste, die in verschiedenen Dörfern lebten. Zu den wichtigsten mennonitischen Gemeinden zählten Ende des 18. Jahrhunderts die Gemeinden in Orlofferfelde (Orłowskie Pole), Tiegenhagen/Petershagen (Cyganek/ Żelichowo), Heubuden (Stogi Malborskie), Bärwalde (Niedźwiedzica) und Pordenau (Porendowo) auf dem Großen Marienburger Werder. Auf dem Kleinen Werder gab es Gemeinden in Markushof (Markusy), Thiensdorf (Jezioro) und Preußisch Rosengart (Rozgart). Auf dem Elbinger Werder dagegen gab es Gemeinden in Rosenort (Różewo), Ellerwald und Trift. Die Mennoniten auf dem Danziger Werder gehörten zunächst zu den in den Vororten von Danzig (Gdańsk) wirkenden Gemeinden und seit 1844 auch zu der Gemeinde in Neunhuben (Dziewięć Włók).

Bevölkerung des werderes Kreises im Jahre 1818. Quelle: Mennonici w Gdańsku, Elblągu i na Żuławach Wiślanych …, s.61.

Entgegen der landläufigen Meinung stelltem die Mennoniten nicht die Mehrheit der Einwohner des Großen Werders. Obwohl ihr Anteil in einigen Dörfern beträchtlich war, waren sie in der gesamten Region sowohl im Verhältnis zu den Lutheranern als auch zu den Katholiken eine Minderheit. Nach Schätzungen vom Ende des 18. Jahrhunderts machten die Mennoniten 16,5 % aller Einwohner der beiden Marienburger Werder und etwa 10 % auf dem Elbinger Werder aus.

Radierung der Seilbahn von Adam Wybe in Gdańsk (dt. Danzig), Autor: Willem Hondius. Quelle: Public Domain.

Außer auf dem Werder versuchten die Mennoniten auch, sich in den umliegenden Städten niederzulassen: Danzig (Gdańsk) und Elbing (Elbląg). Die protestantischen Stadtobrigkeiten machten ihnen dies jedoch schwer. Dies wurde besonders im Fall der ersten Stadt deutlich. Danzig weigerte sich nicht nur, den Mennoniten Bürgerrecht zu gewähren oder sie in Zünfte aufzunehmen, sondern verbot ihnen auch, innerhalb der Stadtmauern zu leben. Daher ließen sie sich in den der Kirche gehörenden vorstädtischen Gütern in Altschottland (Stare Szkoty) und in der Stadt Kulm (Chełm) nieder. Die Politik der Danziger Obrigkeit milderte sich nur im Fall der Mennoniten, die für die Wirtschaft und das Handwerk besonders wichtig zu sein schienen. Etwas anders war die Situation in Elbing, wo die städtische Obrigkeit bereits in den 1680er Jahren zwei Mennoniten aufnahm. Es wird jedoch geschätzt, dass die mennonitische Bevölkerung in dieser Stadt nie mehr als ein Dutzend Familien oder etwa 100-200 Personen zählte.

Blick auf den Fluss Tuga (dt. Tiege) und die ehemalige Mennonitenkirche in Cyganek / Żelichowo (dt. Tiegenhagen). Quelle: Archiv des Klub Nowodworski.

Die meisten der im Weichseldelta lebenden Mennoniten waren in der Landwirtschaft tätig. Und ihr Beitrag zur Gesamtwirtschaft der Region war beträchtlich. Sie wurden nicht nur als Spezialisten für die Entwässerung und Bewirtschaftung von Feuchtgebieten bekannt, sondern vor allem als moderne Landwirte. Aus den Niederlanden brachten sie sowohl für den Pflanzenanbau als auch für die Tierhaltung technische Lösungen mit. Noch heute kann man auf dem Großen Werder Häuser sehen, die auf Warften gebaut sind, und Felder, die von Kanälen durchzogen sind, die für die ehemalige mennonitische Siedlung charakteristisch sind.

Gesangbuch der Danziger Mennoniten von 1780. Quelle: PAN Biblioteka Gdańska.

Die Mennoniten auf dem Großen Werder hatten auch zahlreiche Ideen, wie sie den ihnen drohenden Gefahren wirksam begegnen konnten. Im Jahr 1623 wurde auf Initiative der mennonitischen Gemeinde Tiegenhagen/Petershagen (Cyganek/ Żelichowo) eine der ersten Versicherungsgesellschaften der Welt gegründet. Ihre Aufgabe war es, den durch Feuer geschädigten Einwohnern der örtlichen Gemeinden zu helfen.

Die rechtliche Situation der Mennoniten auf dem Großen Werder wurde durch Verträge mit den Landbesitzern geregelt. Sie wurden manchmal in Frage gestellt, und die Ansiedlung selbst wurde vor allem von Vertretern der Kirche und Adligen, die aus anderen Teilen des königlichen Preußens zum preußischen Landtag kamen, als etwas Schlechtes empfunden. In den meisten Fällen wurden solche Anschuldigungen jedoch schnell zurückgezogen, und sowohl die evangelischen Stadträte von Danzig (Gdańsk) und Elbing (Elbląg) als auch die Pächter von Tiegenhof (Nowy Dwór) und die Marienburger Starosten wiesen in solchen Streitigkeiten auf die wirtschaftlichen Vorteile der mennonitischen Siedlung hin. Auch die Mennoniten selbst sorgten dafür, dass ihre Rechte respektiert wurden. Im Jahr 1642 beantragten sie die Bestätigung der bestehenden Privilegien durch Wladislaw IV. Wasa. Jeder nachfolgende Herrscher Polens bestätigte dieses Dokument.

Mennonitische Familie Stobbe aus Nowy Dwór Gdański (dt. Tiegenhof), zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Quelle: Archiv des Klub Nowodworski.

Ein Wendepunkt für die auf dem Werder lebenden Mennoniten war das Jahr 1772, als im Zuge der ersten Teilung Polens das Gebiet des Weichseldeltas zu Preußen kam. Die neuen Machthaber waren nicht bereit, so weitreichende Zugeständnisse zu machen. Sie verlangten von ihren mennonitischen Einwohnern nicht nur die Zahlung von Steuern, sondern auch die Beteiligung an der Landesverteidigung. Da die letztgenannte Bedingung nicht erfüllt wurde, mussten die mennonitischen Gemeinden eine Sondersteuer für die Kadettenschule in Kulm (Chełmno) zahlen. Außerdem wurden zahlreiche Beschränkungen für den Landerwerb eingeführt. Einige der Werdermennoniten beschlossen, in die Tiefen des Russischen Reiches auszuwandern. Diejenigen, die sich entschieden, in Preußen zu bleiben, begannen sich langsam an die deutsche Kultur zu assimilieren. Sie stimmten auch der zunehmenden Einmischung des Staates in das religiöse Leben zu. Die Frage des Dienstes der Mennoniten in der Armee trat in den Hintergrund. Die Gemeinden überließen diese Frage zunehmend dem Gewissen der Gemeindemitglieder. Sowohl während des Deutsch-Französischen Krieges als auch während des Ersten Weltkrieges waren Vertreter dieser Konfession in der deutschen Armee zu finden.

Die preußische Zeit war auch eine Zeit der Einigung der mennonitischen Gemeinschaften, die zuvor unabhängig voneinander funktioniert hatten. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts schlossen sich zwei rivalisierende Strömungen des Mennonitentums zusammen: Flamen und Friesen. Dies führte unter anderem im Jahre 1819 zum Bau eines gemeinsamen Gotteshauses in Danzig (Gdańsk). In den folgenden Jahren nahm die Zusammenarbeit zwischen den Werdermennoniten auch andere Formen an. Es wurden Verbände und Vereine gegründet, um die Interessen der Werdermennoniten im preußischen Staat zu vertreten. Es gab wissenschaftliche Organisationen, die das Wissen über die Geschichte dieser Gemeinschaft im Weichseldelta verbreiteten. Die 1854 von Jacob Mannerhardt gegründete Zeitschrift „Mennonitische Blätter“ spielte in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle. Sie fungierte als Vermittler zwischen allen mennonitischen Kirchen in Preußen und später auch im vereinigten Deutschland.

Vertreter der mennonitischen Gemeinde in Gdańsk (dt. Danzig) vor der Kirche, 1929. Quelle: Mennonite Library and Archives Bethel College.

"Mennonitischen Blätter", 1929. Quelle: Ebląska Biblioteka Cyfrowa - dlibra.bibliotekaelblaska.pl.

Der Vertrag von Versailles, der den Ersten Weltkrieg beendete, wurde von der Mehrheit der Mennoniten mit Bitterkeit aufgenommen. Die Mennoniten auf dem Werder, die in einem Staat gelebt hatten, fanden sich plötzlich in zwei Staaten wieder. Die Freie Stadt Danzig (Wolne Miasto Gdańsk), die unter der Verwaltung des Völkerbundes stand, und Ostpreußen, das zu Deutschland gehörte. Dies führte zu zahlreichen Problemen bei der Organisation der einzelnen Gemeinschaften und der gesellschaftlichen Aktivitäten. Trotz dieser Unannehmlichkeiten wurde Danzig 1930 zum Tagungsort der Weltkonferenz der Mennoniten.

Mit der Verschärfung der Wirtschaftskrise und den beim deutschen Teil der Bevölkerung der Freien Stadt Danzig (Wolne Miasto Gdańsk) beliebten Parolen über den Anschluss Danzigs an Deutschland begannen einige Mennoniten, den populistischen Parolen Adolf Hitlers zu erliegen. Dies zeigte sich in den 1930er Jahren, als mehr als die Hälfte der Mennoniten für die Nationalsozialisten stimmte. Es gab aber auch mennonitische Gemeinden, die der Lehre von Menno Simons bis zum Schluss treu blieben und den Hass und die Gewalt der Nazis ablehnten. Der Zweite Weltkrieg beendete schließlich die fast 400-jährige mennonitische Anwesenheit auf dem Werder. Da sie als Deutsche angesehen wurden, mussten sie das Gebiet des Weichseldeltas verlassen.

In der Weichselniederung

Geschichte der Mennoniten im Grenzgebiet von Kociewie, Powiśle, Kujawien und Kulmerland

Die Weichselniederung zwischen Chełmno (dt. Kulm) und Grudziądz (dt. Graudenz) auf einer Karte vom Anfang des 19. Jh. Quelle: Kujawsko-Pomorska Biblioteka Cyfrowa - kpbc.umk.pl.

Schon bald nach ihrer Ankunft in Polen begannen die Mennoniten, sich auch außerhalb des Großen Werders anzusiedeln. Bereits um 1565 gehörten sie zu den ersten holländischen Siedlern, die in die Weichselniederung in die Nähe von Graudenz (Grudziądz) gebracht wurden, u.a. in die Dörfer Michelau (Michale), Montau (Mątawy) und Groß Sanskau (Wielkie Zajączkowo). Im Laufe der nächsten vier Jahrzehnte besiedelten sie die Weichselniederungen im Gebiet von Kulm (Chełmno), Schwetz (Świecie) und (Toruń) sowie die Sumpfgebiete bei Rehden (Radzyń Chełmiński). Als hervorragende Landwirte, die perfekt mit Sumpf- und Überschwemmungsgebieten umgehen konnten, kamen sie auf Einladung der örtlichen Landbesitzer in diese Regionen. Die Nähe der Weichsel zwang sie, den häufigen Überschwemmungen die Stirn zu bieten und sich ohne Unterlass um die Verstärkung der Deiche und den Ausbau der Entwässerungssysteme zu kümmern.

Privileg des Königs Siegmund III. Wasa, das den Vertrag über die Verpachtung des Dorfes Mątawy (dt. Montau) an die Mennoniten vom Jahr 1592 bestätigt. Quelle: Archiwum Państwowe w Gdańsku.

Zu den wichtigsten mennonitischen Zentren an der Weichsel gehörte das Gebiet der Dörfer, in denen die ersten mennonitischen Gebetshäuser errichtet wurden. Diese waren Montau (Mątawy) bei Graudenz (Grudziądz), Wintersdorf (Przechówko) bei Schwetz (Świecie), Sosnówka bei Kulm (Chełmno) und Klein Nessau (Mała Nieszawka) bei Thorn (Toruń). Trotz ihres großen Beitrags zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region trafen die Mennoniten von Anfang an auf wachsende Abneigung seitens der Angehörigen anderer Konfessionen. Bereits Ende des 16. Jahrhunderts wurden sie von der lutherischen Obrigkeit Thorns (Toruń) aus den der Stadt gehörenden Weichseldörfern vertrieben, unter anderem aus den Dörfern Alt-Thorn (Stary Toruń) und Gurske (Górsk), die ihnen 1574 zur Pacht gegeben worden waren. Das 17. Jahrhundert brachte weitere Schikanen, diesmal durch den katholischen Klerus und Beamte, die außerordentliche Abgaben verlangten. In dieser bedrohlichen Atmosphäre baten die Weichsel-Mennoniten die polnischen Könige um dieselben Privilegien, die ihre Glaubensbrüder auf dem Großen Werder schützten. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zwangen die zunehmenden religiösen Beschränkungen und die wirtschaftliche Krise viele Mennonitenfamilien aus dem Gebiet von Kulm, Schwetz, Graudenz und Thorn zur Auswanderung. Sie gründeten neue mennonitische Kolonien an der Memel bei Tilsit (Sowetsk), in Franzthal (Głęboczek) und Brenkenhofswalde (Błotnica) am Unterlauf der Netze, in Jeziorken (Jeziorki) bei Tuchel (Tuchola), in Kazun (Kazuń) in Masowien und in der Umgebung von Rehhof (Ryjew) im Gebiet Powiśle.

Infolge der ersten beiden Teilungen Polens (1772, 1793) wurden die immer weniger werdenden Mennoniten an der unteren Weichsel Untertanen des Königreichs Preußen. Die neuen Machthaber erklärten sich bereit, sie vom Militärdienst zu befreien, dafür mussten sie im Gegenzug eine hohe jährliche Abgabe für die Kadettenschule in Kulm (Chełmno) leisten und durften keine weiteren Höfe von Vertretern anderer Konfessionen kaufen. Diese Beschwerungen veranlassten viele mennonitische Gläubige zu einer weiteren Massenauswanderung – diesmal in das Russische Reich, wo sie sich an den Flüssen Dnjepr und Wolga niederließen. Die Zahl aller mennonitischen Gemeinden in der Region ging systematisch zurück. Einige von ihnen - wie die Gemeinden in Wintersdorf (Przechówko) und Jeziorken (Jeziorki) - hörten bereits vor der Mitte des 19. Jahrhunderts auf zu existieren.

Wilhelm Ewert (1829-1887) – Ältester der Gemeinde von Klein Nessau (Małej Nieszawka), einer der Führer der im 19. Jh. in die USA auswandernden Mennoniten. Quelle: Mennonite Library and Archives Bethel College

Edikt des preußischen Königs Friedrich II. von 1789 über die Gerechtigkeiten der Mennoniten. Quelle: Archiwum Główne Akt Dawnych w Warszawie.

Ein wichtiger Moment für die Mennoniten an der unteren Weichsel war das Jahr 1867, als sie der allgemeinen Wehrpflicht unterworfen wurden. Dieses Ereignis löste eine weitere Migrationswelle aus, dieses Mal in die Vereinigten Staaten. Wilhelm Ewert, der Älteste der Gemeinde in Klein Nessau (Mała Nieszawka), spielte eine Schlüsselrolle bei der Vorbereitung, aber nur wenige Familien aus der Region folgten ihm auf seinem Weg in die Prärien von Kansas und Nebraska. Die Mehrheit der Mennoniten blieb in der Region und assimilierte sich zunehmend an die deutschsprachige Umgebung.

Die nicht mehr existierende Mennonitenkirche in Grupa (dt. Gruppe) bei Graudenz (Grudziądz) aus dem Jahre 1879. Quelle: Książnica Kopernikańska w Toruniu.

Im Jahr 1920 wurde das Gebiet um Graudenz (Grudziądz), Kulm (Chełmno) und Thorn (Toruń) Teil der wiedergeborenen Republik Polen. Die in diesem Gebiet lebenden Mennoniten nahmen diese Veränderung mit Bitterkeit auf. Für die polnischen Behörden und die polnische Gesellschaft waren sie Teil der deutschen Minderheit und wurden von ihnen mit wachsendem Misstrauen und Abneigung behandelt - unter anderem wurden sie am Erwerb von Grundstücken gehindert und hatten keinen Zugang zu deutschsprachigen Schulen. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs gehörten Mennoniten aus der Gegend von Graudenz und Kulm sowohl zu den von der polnischen Armee mobilisierten Reservisten als auch zu den Deutschen, die interniert und in einigen Fällen sogar ermordet wurden, da man Angst vor ihrem Verhalten während des polnisch-deutschen Konflikts hatte.

Anfang 1945 flohen die meisten Weichselmennoniten unter dramatischen Umständen vor den vorrückenden Truppen der Roten Armee in Richtung Westen, ohne die Möglichkeit einer Rückkehr. Gegen die wenigen, die blieben, wurden von den sowjetischen Soldaten Repressionen angewendet und sie mussten Polen verlassen. Die Flüchtlinge von der unteren Weichsel ließen sich nach dem Krieg in Deutschland, Uruguay und Kanada nieder.

Hauländerhaus in Chrystkowo (dt. Christfelde). Foto: M. Targowski.

Entlang der Unteren Weichsel gibt es trotz der fortschreitenden Zeit noch viele Spuren der Mennoniten. Ihre Entwässerungssysteme, Abschnitte von Hochwasserdämmen und jahrhundertealte Weidenbäume, die Feuchtgebiete entwässern, sind erhalten geblieben. Die im späten 19. Jahrhundert errichteten mennonitischen Kirchen in Montau (Mątawy) und Klein Nessau (Mała Nieszawka) sowie Dorffriedhöfe, z. B. in Tragheimerweide (Barcice), Schönsee (Sosnówka), Wintersdorf (Przechówka) und Nieder Gruppe (Dolna Grupa), sind wertvolle Denkmäler. Der Obelisk „Nickelstein“ in Schöneich (Szynych), der ursprünglich 1911 von den Mennoniten vor der heute nicht mehr existierenden Kirche in Schönsee errichtet wurde, ist außergewöhnlich. Die charakteristischen Gehöfte, die von den Mennoniten in der Weichselniederung errichtet wurden, verfallen immer schneller. Ihr Aussehen kann man bei einem Besuch des Parks der Ethnografie der Hauländer (Olenderski Park Etnograficzny) kennenlernen.

Geschichte der Mennoniten in Masowien

Stempel der Monnite-Kirche aus Nowe Wymyśle (dt. Deutsch Wymysle), 1836. Quelle: Privatsammlung Wojciech Marchlewski.

Die Mennoniten kamen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts infolge der polnischen Teilungen und Gesetzesänderungen in Preußen nach Masowien. Zusammen mit anderen Kolonisten wurden sie auf privaten und königlichen Ländereien angesiedelt. In Masowien spricht man gewöhnlich von drei Hauptorten, in denen die Mennoniten lebten und Gemeinden gründeten. Dies sind Deutsch Kazun (Kazuń Nowy), Olędry Czermińskie, das spätere Wymysle (Wymyśle) i Wola Wodzyńska. Die größte Gruppe von Mennoniten kam Ende des 18. Jahrhunderts im Rahmen der von den preußischen Behörden durchgeführten Kolonisierungskampagne aus dem Gebiet von Driesen (Drezdenko) an der Warthe, aus Schönau (Przechowo) und Nessau (Nieszawka) nach Masowien. Einzelne Familien wurden in folgenden Dörfern angesiedelt: Wonsosz, Leonów, Zyck Niemiecki, Łady, Sady, Piaski, Strzemeszna, Wiączemin, Alfonsów, Drwały, Świnary, Arciechów, Olszyna, Śladów, Piotrkówek, Osiek, Korzyków, Kępa Wyszogrodzka, Bieniew und Rumunki Troszyńskie. Die größte Gruppe von Mennoniten kam nach den Napoleonischen Kriegen in den 1820er und 1830er Jahren. Die Gemeinschaft der Mennoniten von Kazun ließ sich in den 1780er Jahren in Wymysle (Wymyśle) nieder. Im Jahr 1798 ließen sie sich in Markowszczyzna, dem späteren Sady, nieder, dann gründeten sie das Dorf Czosnów und ab 1803 lebten sie in Cząstków. Zahlreich waren sie ebenfalls in Kępa Nowodworska. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die mennonitische Siedlung Wola Wodzyńska bei Plöhnen (Płońsk) gegründet. Im Jahr 1842 gründete einer der örtlichen Landbesitzer in der Nähe von Wola Wodzyńska eine Siedlung in der Wildnis, die er nach seinem Nachnamen Kicin nannte und in der er Lutheraner und Mennoniten ansiedelte.

Mennonitisches Orchester aus dem Dorf Kazuń Nowy (dt. Deutsch Kazun). Quelle: Privatsammlung von Wojciech Marchlewski.

Die Mennoniten versuchten, ihre Unabhängigkeit zu erlangen, indem sie sich um das Recht bemühten, Zivilstandsregister zu führen. In der Kirche in Deutsch Wymysle (Wymyśle Nowe) fanden seit 1818 Gottesdienste statt, und 1835 beantragte der Kirchenälteste dieses Recht. Die Pfarrei in Wymysle sollte das Gebiet der Gemeinden Czermno, Swiniary, Ilowo und Sanniki umfassen. Die Mennoniten erhielten dieses Recht nicht und gingen weiterhin zu den römisch-katholischen oder evangelisch-augsburgischen Kirchengemeinden, um Geburten, Eheschließungen und Sterbefälle zu registrieren.

Mennonitische Familie Wohlgemuth. Quelle: Privatsammlung von Wojciech Marchlewski.

Infolge der baptistischen Missionstätigkeit in der Mitte des 19. Jahrhunderts spaltete sich die mennonitische Gemeinschaft in zwei Gruppen. Die mennonitische Konfession wurde für viele zu einem Relikt der Vergangenheit, das ihr modernes und üppiges Leben einschränkte. Angesichts der Bedrohung durch die Baptisten wurde eine liberalere Mennonitische Brüdergemeinde gegründet. Eine kleine Gruppe von Mennoniten schloss sich der neuen Kirche nicht an, sondern blieb in der alten Struktur, und da sie keinen anderen Ausweg sahen, wanderten sie in die Vereinigten Staaten von Amerika und nach Kanada aus.

Schüler der Schule von Nowe Wymysle (dt. Deutsch Wymysle). Quelle: Privatsammlung von Wojciech Marchlewski.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Mennoniten Bürger der Zweiten Polnischen Republik. Im Jahr 1919 lebten schätzungsweise 705 Mennoniten in Masowien. In den 1920er und zu Beginn der 1930er Jahre gab es in den von Mennoniten bewohnten Dörfern zwei Parteien, die die Minderheit vertraten: der Deutscher Volksverband in Polen (DVV) und die Jungdeutsche Partei (JDP). Ende der 1930er Jahre radikalisierte sich die politische Aktivität der Mennoniten, die von den Behörden als „unsicheres“ Element gesehen wurden. Im September 1939 wurden einige der aktivsten Personen verhaftet und im Gefangenenlager Bereza Kartuska inhaftiert. Diejenigen, die in den Dörfern blieben und von ihren polnischen Nachbarn als Deutsche angesehen wurden, fielen zahlreichen Akten von Selbstjustiz zum Opfer. Es sollte erwähnt werden, dass die mennonitischen Dörfer in Masowien Schauplatz der Schlacht an der Bzura waren. Die deutsche Besatzung veränderte die Situation der Mennoniten erheblich - einige von ihnen wurden Mitglieder der örtlichen Behörden, andere bekamen hohe Positionen bei Gestapo und SA. Als der Angriff auf die Sowjetunion vorbereitet wurde, wurden die meisten Männer zwischen 17 und 60 Jahren zur Wehrmacht einberufen und an die Ostfront geschickt. Nur Frauen, Kinder und alte Menschen blieben in den Dörfern.

Mennonitin aus Kazuń Nowy in polnischen Volkstrachten. Quelle: Privatsammlung von Wojciech Marchlewski.

Mennonitische Famillie Ratlaff. Quelle: Privatsammlung von Wojciech Marchlewski.

Mennonitische Hochzeit in Nowe Wymyśle (dt. Deutsch Wymysle). Quelle: Privatsammlung Wojciech Marchlewski.

Mennoniten in der polnischen Armee, 30er-Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts. Quelle: Privatsammlung von Wojciech Marchlewski.

Das Ende des Krieges war für die mennonitische Gemeinschaft sehr dramatisch. Im Januar stoppten die Besatzungsbehörden die Evakuierung. Sie durften erst am 16. Januar 1945 fliehen. Unter den Bedingungen des harten Wintersn war es nicht möglich, weit zu entkommen. Die meisten, die nach Westen gingen, wurden von Soldaten der Roten Armee nach Hause zurückgeschickt und ausgeraubt. Die Geflüchteten hatten keinen Ort mehr, an den sie zurückkehren konnten, da ihre Häuser bereits von Nachbarn bewohnt wurden. Die Mennoniten, die als Landesverräter galten, wurden zur Arbeit bei polnischen Bauern geschickt. Einige von ihnen beantragten die Rehabilitierung, weil sie während des Krieges Polen geholfen hatten und sogar in den Strukturen der Widerstandsbewegung aktiv gewesen waren. Nach 1946 begann der Prozess der Aussiedlung der Mennoniten in den Westen. Die letzten Mennoniten verließen Masowien im März 1948.

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